Autor – Tác giả: Lan-Anh
Vortrag beim Abschlussfeier der Ausbildung über die ehrenamtliche interkulturelle Senior-, Demenz- und Sterbebegleitung.
(Phát biểu tại buổi lễ bế mạc khóa học về Săn sóc người già, người lãng trí và người đang chờ chết)
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Seit einiger Zeit im Rentenalter spüre ich einen Flow, wenn ich die drei Worte Seniorenbegleitung, Demenzbegleitung, Sterbebegleitung lese. Sie machen mich nachdenklich, da ich bisher das Wort “Begleitung” nur in einer lebendigen Umwelt hörte. Lebendig ist aber doch das Altern: Erinnerungen rufen, Gedächtnis trainieren, Bilanz ziehen, Lernen für die Entwicklung, Lernen mit und von dem Nachwuchs, Lernen von der Diversität, Lernen von sich selbst bis zum Tod … Das Leben vibriert intensiver, als das Todesbewusstsein klarer wird.
Ich fühle mich noch immer im zweiten Lebensalter, obwohl ich im Rentealter bin. Die Diskrepanz zwischen meinem biologischen Alter und dem Altersselbstbild bringt mich ab und zu zur Verwirrung. Es kostet mich immer ein wenig Zeit, um mich mit dem Realalter zurechtzufinden. Bin ich schon alt, schon am Ende einer Reise? Ich muss mich beeilen.”Zu welchem Ziel?” frage ich mich. Das Ziel verschwindet blitzschnell bei der Frage, meine Gedanken sind verbunden mit dem jetzigen Moment. Ich atme: Das Sein und Werden sind so leicht wie Wolken. “Über den Wolken muss die Freiheit wohl grenzenlos sein. Alle Ängste, alle Sorgen blieben darunter verborgen … Plötzlich nichtig und klein …”. So wurde es in einem Lied von Mey gesungen. Jetzt kann ich atmen, jeder Tag ist Sonntag. In den Berufsjahren habe ich vergessen zu atmen, zu genießen. Der nachhaltige Duft der Freiheit.
In der Zeitung, in der Politik werden überall die negativen Wirkungen des Altwerdens hervorgehoben. Man ist alarmiert über die “ergrauende Welt”, da der Anteil der Älteren an der Gesamtbevölkerung stetig zunimmt. Die früher bestehende Bevölkerungspyramide wird in einen Bevölkerungspilz transformiert.
Als ich in einem Altenheim hospitiere, wird mir die Feminisierung des Alters augenfällig. An dem Esstisch sucht eine über 100 Jahre alte Frau einen alten Mann, der das Alter ihres Sohnes hat. “Kann nicht sein, dass man allein ist. Das ist mein Mann.” wiederholt sie heiser wie ein Automat rund um die Uhr und zeigt den einzigartigen Mann in dem Aufenthaltsraum. Er lächelt ihr nachsichtig und empathisch zu. “Die haben mir alles gestohlen, mein Kopf ist schwer, ich will sterben!” schallt ein Stöhnen von einem fernen Zimmer. Die nicht vom Demenz betroffenen Heimbewohner bleiben stillschweigend, nur die Gesichtszüge drücken die latenten Schmerzen und Resignation aus
Auf dem Heimweg erklingen noch in meinem Kopf das Echo der Beschwerden, das Schweigen der niedergedrückten Schmerzen, die Lebens- und Todesappelle am Ende einer Reise. “Endstation”, sagt mir die Schwester. Das Altenheim ist die Endstation, wenn die Familie auseinandergebrochen ist, wenn keine Familie mehr existiert oder die Verantwortung neu definiert wird. Die gelblichen Souvenirfotos haften noch an meinen Gedanken, sie sind Zeugen von einer Jugendepoche, von einer Heirat, von dem Nachwuchs, von einer Adoption, von einem Weltkrieg. Sie hängen an den Wänden der Einzelzimmer als Begleiter, als Hoffnungsschimmer am Ende des Lebens. Die wartende Generation, wartend auf den Besuch einer Tochter, eines Sohnes. Sie waren vielleicht Helikoptereltern, die jetzt von dem Helikopternachwuchs träumen. Sie waren auch Opfer einer vaterlosen Gesellschaft. Ich war versunken in einer besonderen Reise – voller Empathie für das vierte Lebensalter.
Ich habe einen Sprung von dem zweiten Lebensalter zu dem vierten Lebensalter gemacht.
“Der Mensch steht im Mittelpunkt” heißt die Devise der Altenpflege. Aber der Mensch will vielleicht auch entscheiden, wie die Würde am Sterben neu definiert werden kann.
Winter 2016,
Lan Anh
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